Gerade einmal 152 Rechtsextremisten fanden am Samstag den Weg ins Filstal. Trotzdem gabs in Göppingen Randale. Linke Chaoten provozierten Ausschreitungen, 101 Personen wurden in Gewahrsam genommen.

Die friedliche Kundgebung des Bündnisses „Kreis Göppingen nazifrei“ startete am Samstag ab 10 Uhr auf der Poststraße neben dem Göppinger Weinfest, zuvor gab es eine Veranstaltung von Stadt und Gemeinderat vor dem Rathaus. Am Rande der Nazi-Demo kam es zu Ausschreitungen linker Gegendemonstranten, 101 Personen wurden in Gewahrsam genommen, es gab acht Festnahmen. Nach Angaben der Polizei wurden 28 Beamte leicht verletzt, darunter waren 22 Polizisten, die Tränengas auf der Poststraße ausgesetzt waren.

Der Sprecher des Bündnisses „Kreis Göppingen nazifrei“, Alex Maier, wunderte sich über die zunächst wenigen Teilnehmer an der zentralen Kundgebung. Passanten berichteten von Polizeisperren, die auch keine Fußgänger mehr Richtung Innenstadt durchließen. Auch die Vizepräsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, Brigitte Lösch (Grüne), hatte Schwierigkeiten, zur Bühne der Kundgebung vorzudringen, um dort eine Rede zu halten. Die Polizei erklärte nach Angaben von Maier, dass viele der eingesetzten Beamten aus Stuttgart in Göppingen ortsunkundig wären. Nur an bestimmten Stellen wurden Gegendemonstranten in die Stadt gelassen.

Zuvor hielten der Göppinger OB Guido Till, die Fraktionen des Gemeinderats, jeweils ein Sprecher vom Göppinger Integrationsausschuss und vom Jugendgemeinderat sowie Dekan Rolf Ulmer von 9 bis 10 Uhr vor dem Rathaus Vorträge und sprachen sich gegen Nazis und die Demo in Göppingen aus. Währenddessen kreiste ab den frühen Morgenstunden ein Polizeihubschrauber über den Köpfen der Zuhörer.

Die Abwesenheit von OB Guido Till bei der zentralen Kundgebung sorgte bei Stadtrat und OB-Kandidat Christian Stähle (Linke) für „Entsetzen“, wie er unserer Zeitung umgehend mitteilte. Auch Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier brachte ihren Unmut darüber zum Ausdruck: „Bei allem was einen sonst trennt – beim Kampf gegen die Nazis muss man zusammenstehen, deshalb gehört der erste Bürger der Stadt, der Oberbürgermeister, auf diese Kundgebung.“ Ähnlich äußerte sich auch Grünen-Fraktionschef Christoph Weber.

Am Rande der Nazi-Demo kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und der Polizei. Mitglieder der linken Szene seien mit Gewalt gegen Polizeibeamte vorgegangen, sagte ein Polizeisprecher. Es seien Steine und Flaschen geworfen worden, zudem seien Polizisten getreten und geschlagen worden. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, auch unbeteiligte Umstehende klagten über Augenreizungen und andere Auswirkungen des Reizgases. Drei Streifenwagen sowie eine Baustelle wurden nach Polizeiangaben beschädigt.

Mit 110 Minuten Verspätung begann die Nazi-Demo statt ab 13 erst ab 14.50 Uhr am Samstag. Grund dafür waren Zugausfälle. So berichtete die Polizei, dass der Bahnverkehr zwischen Ulm und Stuttgart zwischen 12.33 und 13.15 Uhr eingestellt werden musste. Grund dafür sei ein Kabelschaden an der Bahnlinie zwischen Gingen und Süßen, der möglicherweise vorsätzlich verursacht wurde.

Mit dem Beginn der Nazi-Demo herrschte eine aufgeheizte Stimmung bei einigen Gegendemonstranten. Nach Angaben der Beamten mischten sich unter die insgesamt 2000 Gegendemonstranten gegen 14.30 Uhr auf der Poststraße, Schützenstraße und Bleichstraße etwa 400 Gewaltbereite und Vermummte – viele davon gehörten laut Polizei der linken Szene an. Zur Frage von verletzten Demonstranten konnte sich die Polizei zunächst nicht äußern. Mindestens ein Demonstrant erlitt Augenzeugen zufolge eine blutende Kopfverletzung durch einen Polizeiknüppel und musste sich im Krankenhaus ärztlich versorgen lassen. Der Mann befand sich mit etwa 200 weiteren Demonstranten in einem mehrstündigen Polizeikessel beim Bahnhof. Der weitaus größte Teil der Gegendemonstranten bestand aber aus Bürgern, die friedlich ihrem Protest gegen Neonazis Ausdruck verliehen.

Die Nazi-Demo führte vom Göppinger Bahnhof aus über die Geislinger Straße, dann in nördlicher Richtung auf der Mörikestraße bis zur Friedrichstraße und nahezu auf gleichem Weg wieder zurück zum Bahnhof. Die Polizei hatte die Straßen für den Demonstrationszug der Neonazis zum größten Teil weitläufig abgesperrt. Die zwei Kundgebungen der Rechtsextremen fanden daher nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Laut Polizei beendeten die Rechtsradikalen ihre Demo um 17.07 Uhr. Danach verließen sie die Stadt mit Zügen. Die Polizei war mit 1500 Einsatzkräften vertreten. Unter anderem waren auch Polizeihunde und berittene Beamte im Einsatz. Auch Wasserwerfer standen bereit. Das Weinfest und die meisten Geschäfte waren geöffnet.

Quelle: Südwest-Presse