Welche Mittel sind im Kampf gegen neonazistische Umtriebe legitim? Darf im Zweifelsfall auch Gewalt eingesetzt werden, um einen Aufmarsch von Rechtsradikalen zu verhindern? Mit diesen Fragen muss sich das Bündnis Kreis Göppingen nazifrei in seiner nächsten Plenumssitzung am kommenden Mittwoch in Eislingen befassen. Der Anlass ist ein offener Brief von mehr als 20 Gruppierungen aus der regionalen Antifaszene. Darin werden dem Sprecher des Bündnisses, Alexander Maier, „folgenschwere politische Fehler“ vorgeworfen. Durch seine öffentlichen Äußerungen befördere Maier „eine Spaltung und Diffamierung der antifaschistischen Proteste“.

Nach den Naziaufmärschen am Karsamstag in Göppingen und Geislingen hatte Maier zwar eine positive Bilanz über die begleitenden Gegendemonstrationen gezogen, allerdings gab es aus Maiers Sicht einen Wermutstropfen. Von auswärtigen Autonomen waren Flaschen, Feuerwerkskörper, Tomaten und Eier auf die Neonazis geworfen worden. Auch zwei Polizisten wurden verletzt. Ein Brandanschlag auf zwei Kabelschächte der Bahn, der offenbar die Weiterfahrt der Nazis von Geislingen nach Göppingen verhindern sollte, verursachte einen Schaden von 15 000 Euro. „Wir lehnen jegliche Gewalt ab, egal ob von rechts oder links“, erklärte Maier der StZ und setzte hinzu: „Leider können wir nicht beeinflussen, wer kommt.“

„Vielseitige Aktionen“

In dem jetzt verbreiteten offenen Brief , der von „antifaschistischen“ Splittergruppen, aber auch von der Verdi-Jugend Stuttgart unterzeichnet wurde, werden die Eierwürfe hingegen verteidigt. Durch solche „vielseitige Aktionen“ sei es gelungen, „jegliche Öffentlichkeit für die Faschisten“ zu unterbinden. Ohne die Hilfe aus dem Umland wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Wörtlich heißt es: „Direkter antifaschistischer Protest in Form von Eier- und Tomatenwürfen wurde vor Ort von vielen für richtig und wichtig befunden.“

Die Linksjugend Solid geht noch weiter. Maier habe mit seinen Aussagen Neonazis und Antifaschisten auf dieselbe Stufe gestellt. Damit verharmlose er den Faschismus. „Entweder Alexander Maier überdenkt seine Positionen und entschuldigt sich bei den Aktivisten, oder er tritt von seinem Amt als Sprecher des Bündnisses zurück“, fordert Solid.

Maier, der auch Sprecher der Grünen Jugend im Kreis ist und die Gründung des Bündnisses vor zwei Monaten als Reaktion auf wiederholte Naziaufmärsche in Göppingen initiiert hatte, will sich zu dem Streit momentan nicht äußern. Er wolle vor der Bündnissitzung am kommenden Mittwoch kein neues Öl ins Feuer gießen. Manfred Binder, der Geschäftsführer der Grünen im Kreis, nannte die Rücktrittsforderung von Leuten, die nicht Mitglied im Bündnis seien, hingegen absurd. Das Bündnis habe sich eindeutig gegen Gewalt ausgesprochen. „Eierwerfen ist einfach blöd und sendet falsche Signale. Ich kenne niemanden, der das richtig und wichtig fand“, erklärte Binder und fügte hinzu: „Wir brauchen diesen Antifa-Tourismus nicht.“

Stähle leitet die Sitzung

Mit der Leitung der Bündnissitzung hat Maier derweil den Göppinger Linken-Stadtrat und Kreischef Christian Stähle betraut. Der ist über die Stellungnahme der eigenen Jugendorganisation keineswegs glücklich. Auch der offene Brief sei schädlich. „Ich bin betroffen über so viel destruktives Handeln, und zwar von der einen bis zur anderen Seite.“ Letztlich diene dies alles nur der „Schadenfreude der Nazis“. Gestern informierten die Autonomen Nationalisten die Göppinger übrigens genüsslich per Hauswurfsendung über die „Gewalttaten linksradikaler Krimineller“.

Quelle: Stuttgarter Zeitung