Plakate, Flugblätter, Demonstrationen: die Aktivitäten von Neonazis im Kreis Göppingen haben zugenommen. Heute um 19.30 Uhr wollen sich mehrere demokratische Organisationen – die CDU und die Junge Union haben sich inzwischen ausgeklinkt – gegen die rechten Umtriebe zusammenschließen. Die Grüne Jugend, deren Sprecher Alex Maier heißt, hat den Anstoß dazu gegeben.

Herr Maier, weshalb braucht es im Stauferkreis ein Bündnis gegen Rechts?

Es gibt in und um Göppingen eine aktive Neonazi-Szene. Hier sind vor allem die „Autonomen Nationalisten“ zu nennen, die auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken. Es kann nicht sein, dass gesagt wird, in Göppingen gebe es kein Problem, während nazistisch motivierte Anschläge auf Stadträte verübt und Nazi-Demonstrationen abgehalten werden. Die Bevölkerung darf nicht mehr wegschauen, sondern muss deutlich machen, dass sie einen offenen Landkreis möchte, der frei von menschenverachtenden Ideologien ist.

Fühlen Sie sich nach den jüngsten Auftritten der Autonomen Nationalisten bestärkt?

Die Autonomen Nationalisten gibt es nicht erst seit ein paar Wochen. Doch durch die jüngsten Ereignisse rücken deren Aktionen wieder mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Es zeigt, dass wir eine aktive Neonazi-Gruppierung im Kreis haben und dass man dagegen eine starke Stimme braucht.

Auch wenn der Großteil der Neonazis gar nicht aus dem Kreis Göppingen kommt?

Dass Neonazis aus anderen Landkreisen, etwa aus dem Rems-Murr-Kreis, nach Göppingen kommen um ihre Kameraden zu unterstützen zeigt doch nur, dass sich die Rechtsextremisten hier anscheinend wohl fühlen. Hier können sie ihre Demos abhalten, ohne dass es die Öffentlichkeit rechtzeitig erfährt, ohne Blockaden oder Gegendemonstrationen. Das Ziel des Bündnisses „Kreis Göppingen Nazifrei!“ ist es, zu zeigen, dass es hier Menschen gibt, die das nicht ohne Weiteres hinnehmen. Wir müssen zwar verschiedene Meinungen akzeptieren, aber Faschismus ist nun mal keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Heute soll der Zusammenschluss ins Leben gerufen werden. Wer wird aller Voraussicht nach dabei sein?

Wir erwarten Leute von verschiedenen Parteien, Verbänden und Organisationen. Beim ersten Vorbereitungstreffen waren, neben den Grünen, die CDU, die Linke, der DGB, die IG Metall, Amnesty International und viele andere Organisationen vertreten. Wir haben von Menschen aller politischer Richtungen positive Rückmeldungen bekommen. Es wäre ein großer Erfolg, wenn es gelingen würde, eine breite Initiative zu gründen, in der, unabhängig von Partei- und Organisationszugehörigkeit, alle zusammenarbeiten, um dafür zu sorgen, dass der Kreis Göppingen ein bunter und vielfältiger Landkreis wird.

Was für Aktionen könnte das Bündnis initiieren oder gemeinsam veranstalten?

Bei dem Vorbereitungstreffen wurden schon einige kreative Ideen eingebracht, was man machen könnte. Von Kundgebungen und Demos gegen Rechts, über Konzerte bis hin zu einer großen „Aufkleber-Putz-Aktion“ bei der die Kommunen im Landkreis von Stickern der rechten Szene befreit werden sollen. Das Bündnis will aber vor allem auch ein Sprachrohr der Bürgerinnen und Bürger sein, als starke Stimme gegen Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit.

Aus Sicht der Stadt ist ein Bündnis gegen Rechts überflüssig. Als vom Bundesfamilienministerium ausgezeichneter „Ort der Vielfalt“, gepaart mit dem Programm „Vielfalt tut gut“, unternehme Göppingen schon sehr viel, heißt es. Was entgegnen Sie?

Das Programm „Vielfalt tut gut“ ist natürlich eine tolle Sache, kann allerdings nicht leisten, was ein Bündnis leisten kann. So wird die Stadtverwaltung ja wohl kaum eine Demo gegen Rechts organisieren. Dafür braucht es eine Gruppe engagierter Menschen, die sich dem Thema mit Herzblut widmen. Im Übrigen beschränkt sich das Projekt „Vielfalt tut gut“ auf die Stadt Göppingen. Wir wollen aber ein kreisweites Bündnis. Zudem finde ich nicht, dass in Göppingen genug getan wird. So hätte die Verwaltung zumindest versuchen können, den Neonazi-Auftritt am 17. Februar zu verhindern. Insofern verstehe ich die Kritik an unserem Vorstoß nicht. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass sich auch die Stadt Göppingen am Bündnis beteiligt.

Eine Gefahr, dass sich die Aktivisten verzetteln könnten, sehen Sie nicht?

Nein. Wie bereits gesagt, kann man das geplante Bündnis mit keinem anderen Projekt im Kreis vergleichen. Natürlich müssen wir aufpassen, dass wir den Neonazis nicht zu viel Aufmerksamkeit verschaffen. Den Gedanken, dass wir untätig werden, aus lauter Angst man könnte denen eine Plattform bieten, finde ich allerdings furchtbar. Deshalb müssen wir aufstehen für einen offenen Landkreis, in dem alle Bürgerinnen und Bürger sicher und ohne Diskriminierung leben können.

Das Gespräch führte Andreas Pflüger.

Quelle:Stuttgarter Zeitung